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Englands Südostküste bleibt regnerisch und stürmisch

Nach drei Nächten in Weymouth und einer regnerischen Wanderung entlang einer ehemaligen Bahntrasse wollen wir weiter in den Solent. Wie bereits erwähnt, ist die Tiden- und Strömungsberechnung hier ziemlich entscheidend. Manni macht das (eigentlich) wirklich gut, und wir passieren St. Albans Head problemlos… aber am Anvil Point 6 sm später haben seine Rechenkünste versagt und die Tide ist bereits gekentert -  es herrscht „Wind gegen Strom“ – und nicht zu knapp! Wieder einmal spült eine ungezogene Welle ins Cockpit (!) und damit nicht genug, sie findet sogar ihren Weg durch den Lüfter in die Steuerbord-Kammer! Wir ärgern uns gewaltig, aber sehen ein, dass wir eine „Strafe“ für unsere Nachlässigkeit (Lüfter zudrehen!!!) verdient haben. Damit nicht genug an diesem Tag: Wir ankern in der Swanage Bucht, um bei auffrischenden 5 -6 Windstärken nicht an den Needles in den Solent vorbei, sondern das Nordfahrwasser beim Hurst Castle zu nutzen. Wir müssen zwei Stunden warten, bis die Strömung kentert (übrigens: Tide ist auch hier nicht gleich Strömung!). Der Anker fällt auf 5 m Wassertiefe, wobei Manni bemerkt, dass die Sperrklinke der Ankerwisch nicht greift. Aus einer gemütlichen Mittagspause mit Kaffee und Keksen wird eine hektische Reparaturstunde! Manni muss die Ankerwinsch komplett zerlegen und den Motor der Ankerwinsch ausbauen, um die Sperrklinke vom verklebten Fett zu reinigen (Viel Dreck und Fett!). Dies gelingt uns glücklicherweise, da die Option, hier eine Nacht vor Anker liegen zu bleiben, keine Gute ist. Man mag es raten: es sind erneut 7 – 8 Windstärken ab heute Abend angesagt.

Nachdem die Reparatur erfolgreich war, gehen wir um 14.30 Uhr Anker auf und segeln auf Hurst Castle zu. Der Wind frischt auf und bangem Herzens (ich!) segeln wir vierkant auf die lange rausgezogene Sandbank  vor Hurst Castle zu. Erst als die einzige und wichtige grüne Tonne querab liegt, können wir ca. 40° anluven (10 m hohe Sandbank in Lee). Wenig später gelangen wir in „the trap“ – zu Deutsch „Die Falle“. Das Wasser brodelt und Auriga wird von 3-4 kn Strom beschleunigt. Zum Glück ist das Brodelwasser nur 200 m breit und wir werden auf den nahezu spiegelblanken Solent geschoben. Um 18.45 Uhr können wir im mondänen Yachthafen von Lymington gut geschützt vor dem Westwind in einer Box anbinden. Dieser Tag war erlebnisreich genug…

Am nächsten Tag herrscht Sturm und Regen – mal wieder. Da einige unserer Blog-LeserInnen aufgrund unserer „Sonnenschein-Fotos“ leichte Zweifel hegten, ob das Wetter wirklich so schlecht ist wie andauernd geschildert, werden wir in diesem Blog übrigens auch Fotos im Regen zeigen ;-)

Die Marina in Lymington ist zwar richtig teuer, punktet jedoch mit einem luxuriösen Duschtempel mit Fön und ausliegenden Glätteisen für Seglerinnen -Haar.

 

Am Donnerstag, 3.8.2023 geht es nur 12 sm ruhig weiter in den Beaulieu River, wo wir an einer der vielen Moorings festmachen können. Mit dem Dingi pöttern wir hoch zum „Bucklers Yard“, wo wir selbstverständlich auch unseren Obolus von 31 Pfund für die Mooring entrichten. Hier ist außer der großen Marina und einigen schönen alten Gebäuden, in denen die ehemalige Schiffswerft und das damalige Leben gezeigt werden, nicht viel los. Der gesamte Flussbereich und die angrenzenden Wälder und Wiesen gehören übrigens auch heute noch Lord Montagu und seiner Familie – unfassbar! Der Fluss ist – wie der Name schon sagt – wunderschön gelegen. Wir machen mit 3 Stunden Sonnenschein eine kleine Flusswanderung, nur um rechtzeitig vor dem abendlichen Gewitterschauer unsere trocknenden Handtücher und Bettlaken (von der Salzwasserdusche in unserer Stb-Kammer) zu retten. Ein prächtiges Panorama auf dem Fluss entschädigt jedoch für den einsetzenden Regen.

Weiter geht es nach Portsmouth, wo wir in die Gun-Wharf Marina gehen, direkt unter dem Spinnaker Tower und umbaut von einem riesigen Outlet Shopping Center mit vielen Restaurants und Bars. Abends bleibt es jedoch erstaunlich ruhig. Wir sind eigentlich nur nach Portsmouth gefahren, um das berühmte Naval Museum mit der Victory zu besuchen. Das Museum, die historischen Schiffe und Gebäude sind eingebettet in das aktive Militär-Marinegelände. Es ist fußläufig in fünf Minuten zu erreichen und somit besonders praktisch, wenn es, wie soll’s auch anders sein, in Strömen regnet.  

In Portsmouth muss man lange nach historischen Gebäuden suchen
In Portsmouth muss man lange nach historischen Gebäuden suchen

In der einfachsten Version kostet das Einzelticket 34 Pfund – die haben sich aber gelohnt. Wir erfahren, wie die Briten kleine Motorboote mit hohen PS Zahlen und ausgestattet mit Einzel-Torpedos nutzten, um im ersten und zweiten Weltkrieg maximalen Schaden an feindlichen Schiffen und Häfen zu erzielen. Ebenso dienten diese „kleinen“ schnellen Motoryachten dazu, Spione und Soldaten an Frankreichs Küsten in Nacht- und Nebelaktionen abzusetzen oder aufzunehmen. Selbstredend kam es zu abenteuerlichen Landungen und hohen Verlusten.

Dieses Schnellboot war bis zu 40 kn und einem Torpedo unterwegs!!!
Dieses Schnellboot war bis zu 40 kn und einem Torpedo unterwegs!!!

In einem weiteren historischen Gebäude machen wir uns mit der Victory, Nelson’s Flaggschiff in der Schlacht bei Trafalgar, vertraut. In dieser Schlacht, die er (bereits einarmig) als Vizeadmiral der englischen Flotte befehligte, verlor er durch einen Musketen-Schuss sein Leben. Nachdem wir also die „Basics“ gelernt haben, gönnen wir uns den Besuch der ca. 250 Jahre alten Victory, die selbst heute noch als Flaggschiff des Ersten Seelords offiziell im Dienst ist!

Von außen betrachtet ist der größte Teil des Schiffes eingerüstet und unter Planen verborgen. Es wird seit Jahren und mit viel Geld aufwändig restauriert und gegen den Verfall gekämpft. Innen drin erwartet uns jedoch ein Zeitreisegefühl – abgesehen von der damals sicherlich olfaktorischen Herausforderung und räumlichen Enge durch die rund 700 Seesoldaten und Matrosen an Bord. Mit Ausnahme von den notwendigen Sicherheitseinrichtungen wie Sprinklern, elektrischen Leitungen für dezente Beleuchtung und den Hinweisen auf Fluchtwege ist das Schiff getreu der originalen Nutzung ausstaffiert. Dank des deutschsprachigen Audio-Guides erleben wir das Geschehen ab dem Auslaufen und die Wochen bis zur berühmten Schlacht vor Trafalgar am 21.10.1805 gegen die Franzosen. Dieser beeindruckende Dreidecker hat an vielen Seeschlachten teilgenommen und ist heutzutage der Stolz der ganzen britischen Nation. Eigentlich ist es nicht fair, alle Erfolge und taktischen Finessen nur Lord Nelson zuzuschreiben. So hätten beispielsweise auch sein Kapitän Hardy oder der Kapitän (und die Mannschaft) der zur Rettung herbeigeeilten Temeraire entsprechende Andenken und wesentlich mehr Erwähnung in der Geschichtsschreibung verdient. So oder so: Wir sind beeindruckt und begeistert von diesen maritimen Eindrücken und wünschen dem Restaurationsteam weiterhin viel Erfolg für den Erhalt des stolzen Schiffes.

Der Spinnaker Tower von Portsmouth ... und wir direkt darunter
Der Spinnaker Tower von Portsmouth ... und wir direkt darunter

Gleich am nächsten Tag segeln wir die rund 43 sm weiter nach Brighton. Wir waren vor 7 Jahren bereits in der Marina und wundern uns, dass sie noch weiter abgebaut hat: Der Hafen ist verschlickt, die Umgebung ist zum Teil heruntergekommen und wir dürfen ein 2. Mal verholen, da auf dem ursprünglichen Liegeplatz der Matschhügel bei Niedrigwasser wohl zu hoch sei. Für das ganze Drum und Dran und das Ambiente ringsherum der Marina zahlen wir satte 60,25 Pfund – absolut nicht nachvollziehbar!

Am Montag, geht es uns um 12 Uhr weiter mit Ziel Eastbourne (2 Stunden nach Niedrigwasser - vorher ist die Einfahrt zu flach). Diese Marina ist vor Schlick und Schlamm durch eine Doppelschleuse geschützt, hat eine tiefe Zufahrt und könnte bei Niedrigwasser angelaufen werden. Da aber alle Segler die Tidenströmung z.B. beim Beachy Head mit dem einsam im Seewasser stehenden Leuchtturm berücksichtigen müssen, kommen fast alle rund um Hochwasser an. Dieser Tag ist übrigens seit langem der erste ohne! Regen…und tolles Segeln dazu!

Wir liegen gerade in der uns zugewiesenen Box, da legt die Germania VI, das ehemalige Schiff des Magnaten Alfred Krupp gegenüber an. Sie haben das Fastnet mitgesegelt und sind nun auf dem Heimweg. Seit seinem Tod und der kurzzeitigen Übernahme durch Berthold Beitz wird das Schiff im Sinne einer Stiftung unterhalten und gefahren. Es wird insbesondere Wert darauf gelegt, junge Leute für das Seesegeln zu begeistern. So können diese für nur 10 €/Tag mit dieser außergewöhnlichen Segelyacht ihre Seebeine und –fähigkeiten erlernen bzw. ausbauen. Wir dürfen uns sogar diesen nunmehr 60 Jahre alten, nahezu original erhaltenen, A&R Seekreuzer von innen anschauen und lernen dabei, dass wieder eine enge Zusammenarbeit mit dem HVS besteht.

Zwei alte Ladies beim Hafenschnack ;-)
Zwei alte Ladies beim Hafenschnack ;-)

Der nächste Tag ist denn wetterbedingt ein Hafentag – wir erkunden per Bus das Seebad Eastbourne. Ähnlich wir Brighton gibt es auch hier eine Pier mit einem „Spielhallen“-Tempel. Versteh‘ einer die Engländer, was diese als Vergnügen betrachten. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Kuehn Klaus (Dienstag, 08 August 2023)

    Wieder ein schöner Bericht von Euch Beiden. Wir sind jetzt auch unterwegs und haben nur Schön….Wetter.
    Liebe Grüße auch von Ingrid

  • #2

    segelreisemitelisa (Mittwoch, 09 August 2023 10:16)

    ...hallo liebe Segelfreunde, der Reisebericht ist sehr anschaulich und toll geschrieben. Da wir ja diese gleiche Reise vor ein paar Wochen selbst gemacht haben, werden Erinnerungen wach. Vielen Dank dafür, Crew Elisa

  • #3

    Hans Ludwig Bechtel (Mittwoch, 09 August 2023 15:00)

    Hallo ihr Beiden,
    da kann ich Klaus nur zustimmen, mal wieder ein sehr interessanter Reisebericht . Nur weiter so�, kommen denn schon langsam Gedanken an die Rückkehr nach Hause auf?
    Viele Grüße,
    Lummi