Madeira: 527 sm hart erkaempft

Große böse Wellen
Große böse Wellen

 Am Donnerstag, den 30.6. verlassen wir um 8.45 Uhr den Hafen von Peniche mit dem Ziel Porto Santo, eine Insel vor Madeira.  Rund 530 sm auf dem Atlantik mit zumeist Wind von hinten erwarten uns . Wieviel Wind wir bekommen sollten, werden wir noch erfahren.

24 Stunden über insgesamt 4 Tage und 3 Nächte zu beschreiben, wäre etwas langweilig, für Nichtsegler allemal, für Segler wie für geübte Blauwassersegler ohnehin. Daher bekommst du, lieber Leser, einfach eine (geordnete) Zusammenfassung:

Wind

3 von 4 Tagen hatten wir satte 5 – 6 Beaufort. Die ersten 24 Stunden konnten wir mit ca. 130 ° zum Wind noch auf das Ausbaumen verzichten. Freitag um 18.30 Uhr durfte Manfred dann auf das Vorschiff und den Baum mit der Yankeeschot nach Steuerbord ausbaumen. Es folgten 3 Tage rollen vor dem Wind. Mal haben wir den Yankee eingerollt (meistens in meinen Wachen) und dann wieder etwas oder ganz ausgerollt. Wie das so üblich ist in der Seefahrt mit Rollsegeln…

Wetter

Tja, hmh, wir hatten von Sonnenschein und tollem Sternenhimmel geträumt. Was soll ich sagen, es blieb ein Traum. Sonnenaufgang erfolgte mit grauen Wolken und Nieselregen. Und auch tagsüber blieb es zumeist bedeckt. Damit war die tief blauviolette Wasserfarbe nur in kurzen Momenten zu bestaunen (irgendwie so zwischen 3000 – 5000m tief, aber ertrinken kann man ja bekanntlich auch in 2 m Wassertiefe, daher ist die Tiefe letztendlich irrelevant). Abends gab es Sonnenuntergänge, wie ich sie von der Nordsee kenne: Bedrohliche Wolken und sogar einen fetten Regenbogen. Nachts dasselbe Trauerspiel, so dunkel ist es nicht mal im Keller meiner Oma gewesen. Den Sternenhimmel haben wir partiell und für wenige Minuten sehen dürfen. Wir waren echt enttäuscht.

Wellen

Wir hatten durchgehend geschätzte 3 Meter hohe Wellen. Je nach Gemütslage erschienen sie auch höher, zumal sie von hinten auf das Schiff zurollten. Aber halt, es gab auch extrem unartige Wellen, die meinten, wenn sie ihren Kurs ändern und um 50 ° oder mehr versetzt zur Wellenmasse laufen, dass sie dann schneller sind. Blöd gelaufen, kann ich nur sagen, denn Auriga war im Weg! Entweder schmeißen sie das Schiff heftig auf die Seite (polter, kreisch, rausch…) oder sie fanden einen kurzen, schnellen Tod an unserer Bordwand. Das allerdings auch mit einem deutlichen Poooong. Tja, so ist das, wenn man nicht auf die anderen hören will! Ich verdanke einer dieser dämlichen-neunmalklugen Wellen einen super Parabel-Flug aus meiner Achterkoje auf den Fussboden … blind. Zum Glück ist nichts gebrochen, aber die fetten blauen Flecken kann ich momentan jederzeit gegen Manfred verwenden. Ich habe mich sehr erschrocken und bin anschließend wieder artig in unsere mit Leesegeln ausgestattete Salonkoje gekrabbelt. Gelernt habe ich daraus: nie mehr ohne Auffangnetz => Leesegel auf die hohe See.

Navigation

Ohne GPS würde ich als Blauwasser-Neuling nicht mehr fahren wollen.  Astronavigation wäre die Alternative aus früheren Zeiten. Da wir jedoch selten die Sonne gesehen haben, wäre es ein echtes Suchspiel geworden, ob wir nun Madeira oder Amerika entdeckt hätten. Wir haben den „Go to“-Punkt einfach auf kurz vor Santo gesetzt und fertig war die Navigation.

Außerdem verschafft der Plotter mit allen AIS-Daten der Großschifffahrt ein sehendes Auge in der Nacht (ohne Mond und Sterne). So kann man recht früh erkennen, ob der Dampfer mit 2, 3 oder mehr Seemeilen an einem vorbeizieht und muss nicht aus Vorsicht oder Weitsicht die Segelstellung ändern. Das ist echter Komfort. Die letzten 2 Tage auf See haben wir fast kein Schiff „gesehen“. Hoffentlich haben mittlerweile alle Segler, die sich so weit draußen rumtreiben ein AIS….

Und wenn dann noch der Autopilot (hat bei uns noch keinen Namen, aber schon längst einen verdient) so klaglos und durchgehend steuert, dann gibt’s hierzu nichts zu meckern (wehe er streikt mal!).

Segel

Anderthalb Tage fuhren wir mit gerefftem Groß, dem Yankee (etwas eingerollt) und der Fock auf Backbord-Bug. Zweieinhalb Tage und Nächte ausgebaumt. Wir sind mit dem Rollsystem sehr zufrieden…. Mit den neuen Segeln sowieso. Sogar ich kann bis zu 6 Windstärken den Yankee (langsam) wegrollen. Bei mehr Wind brauche ich dann doch Unterstützung.

Auriga-Performance

Auch wenn diese Überfahrt sehr unkomfortabel verlief, sind wir von Auriga und dem Herrn Koopmans begeistert. Es zeigt ein tolles Seeverhalten und man fühlt sich doch recht sicher. Als gemäßigter Langkieler haben wir zwar auch ordentlich Hin- und Herrollerei erlitten, mit einem Kurzkieler wäre das aber wohl unerträglich gewesen (…für mich zumindest).  Auch unter Deck erweist sich die Ergonomie als gut durchdacht. Schön ist es tatsächlich, wenn man 2 Toilettenräume hat, so kann sich die abgehende Wache bettfein und die aufkommende Wache frisch machen. Das ist echter Luxus. Auch das Kochen ging recht gut, wobei ich meinen Eintopf bzw. Gulasch aus dem Schnellkochtopfe immer wieder vorbereiten würde.  Einen Abend hatten wir beide keine Lust auf hin- und herpurzelnde Schalen, Becher, Löffel, da hat’s dann die berüchtigte Dose Erbsensuppe auch getan.

Schlafen / Wachen

Wir wechseln uns mit dem Wachdienst alle 4- 6 Stunden ab. Je nachdem, wer gerade mehr Schlaf braucht, darf dann auch mal etwas länger in der muckeligen Koje liegen (meistens ich  :-)). Bei starren Uhrzeiten setzt man sich nur unter Druck, denn auch das Wetter und die Wellen halten sich ja an keine Uhrzeit. Meistens haben wir den späten Nachmittag 2-3 Stunden zusammen im Cockpit gesessen und uns unsere Erlebnisse erzählt. Gleich nach dem Abendessen und Abwasch so gegen 19  Uhr legt Manfred sich hin. Ich wecke ihn meistens gegen 23.30 Uhr und er steht die sogenannte Hundewache bis 5 oder 6 Uhr morgens durch. Dann bin ich wieder dran. Na, so reduziert sich das Leben an Bord eigentlich auf das Wesentliche: sicher und schonend mit Schiff und Mannschaft über den Parcours zu kommen. Gern hören wir während der Wachen Musik. Meistens lese ich oder spiele hirnschonende Spielchen auf dem Tablet. So vergeht die Zeit … langsam, bis der andere seinen Dienst tun muss.

Essen

Wie bereits erwähnt, einfaches und kalorienreiches Essen vorzukochen, hat sich bislang sehr bewiesen. Gut waren auch die 6 kalten und in Zucker gewickelten Pfannkuchen. Die kann man so mit einer Hand essen und machen satt. Selbstverständlich nimmt sich jeder zwischendurch Schoki, Nüsse, Bonbons oder sogar Obst :-). Auf diesem Törn war aber selbst das Einschenken von heißem Wasser auf Fertig-Kaffee ein echtes Abenteuer… wo läuft das Rinnsal diesmal hin?!

Allgemein

Wir waren enttäuscht: vom Wetter, vom Wind und auch erwähnt werden muss, dass uns noch nicht mal Delfine besucht haben. Ich war wirklich an meine Reserven gekommen und sehr froh, als wir Sonntagabend in Porto Santo festmachen konnten. So einen Törn brauche ich echt nicht wieder und hoffe, dass uns Rasmus und Neptun für die restlichen zwei längeren Seestrecken ein bequemeres Bordleben ermöglichen werden. Wir haben genau 527 Seemeilen in 81 Stunden mit Etmalen von rund 160 absolviert. Das bedeutet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,5 Knoten.

Große unartige Welle!
Große unartige Welle!

Juchuh: Wir sind da!

Ich will endlich meine Dusche!
Ich will endlich meine Dusche!
Land, Land ins Sicht!
Land, Land ins Sicht!

Porto Santo: Vulkangestein und Sandstrand

Mehrzahl von Kaktus: Kaktusse ?!
Mehrzahl von Kaktus: Kaktusse ?!

Montag, 4.7.: Marina Porto Santo

 

Zum Dank für ihre tolle Leistung wird Auriga nach dem wohlverdienten Ausschlafen geputzt.  Außerdem kontrolliert Manfred die Maschine, die beim Anlegen am Abend zuvor einen anderen „Klang“ hatte, als gewohnt. Er findet schnell heraus, dass eine von den sechs Düsen defekt ist und tauscht diese aus. Die defekte Düse wollen wir auf Madeira mal zu einem Bosch Service bringen (zum „abdrücken“ wie Manni erklärt). Na gut, wenn das die Ursache war, ist das wohl nicht so schlimm, denke ich mir.

 

Nebenbei läuft das übliche Prozedere im Hafenbüro ab und zwei Säcke voll Wäsche wollen auch gewaschen und vor allem getrocknet werden. Dank der netten Dame vom Hafenbüro werden wir etwas bevorzugt behandelt, da wir morgen schon wieder weiter wollen. Sie ist so nett und schaufelt unsere Wäsche in die Maschine und dann in den Trockner. Abends holen wir kuschelig saubere Wäsche ab. Dem Team von der Marina ein herzliches „Danke schön“!

 

In Porto Santo macht sich eine komplett andere Seglergemeinschaft die Stege, das Wasser und den Strom „streitig“: Langfahrtsegler und Aussteiger. Zu erkennen am extrem relaxten und dabei sehr hilfsbereiten Umgang mit uns und miteinander. Auch die Schiffe sehen zum Teil recht abenteuerlich aus. Viele lassen ihr Schiff über Monate hier für wenig Geld. Etliche Schiffe, die aufgebockt an Land stehen, sind aber wirklich nur noch für die Schrottpresse. Schlimm ist unsere Vorstellung über die Schiffe, die hier mit gebrochenem Mast abgestellt wurden. Was mag die Mannschaft wohl erlebt haben und: wie in Gottes Namen wollen sie ein neues Rigg hierher transportiert bekommen? Wir mögen gar nicht weiter darüber nachdenken und machen stattdessen einen Bummel in die etwas entfernt liegende kleine Stadt. Zurück geht es am ellenlangen, goldfarbenen Sandstrand, der die Hauptattraktion dieser Insel ausmacht. Auch die Feriengäste und viele Einheimische wissen das zu schätzen. Wir springen abends ebenfalls kurz in die anrollende Atlantikdünung und können direkt nebenan unter die warme Dusche springen. Wer mal für eine Woche oder länger absolut ausspannen will, ist hier genau richtig aufgehoben!

 

Dienstag, 5.7.: Auf nach Quinta do Lorde / Madeira

 

Heute haben wir unerwartet eine der herrlichsten Passagen – und dass, obwohl es morgens noch mit bestem norddeutschen Nieselregen recht grau aussieht lässt. Wir segeln die 31 Seemeilen mit raumen Wind der Stärke 4, bei Sonnenschein nach Quinto do Lorde mit lachendem Herzen: So sollte auch ein Atlantiktörn sein!

 

Quinta do Lorde ist ein Postkarten-Dorf. Unterstützt von der EU haben die Madeirer hier ein 5-Sterne Resort inkl. zugehöriger Marina und Kirche (für Hochzeiten!) hochgezogen. Wir werden von 3 schmucken Herren in den Hafen begleitet, unsere Leinen werden fachgerecht angenommen und ein Dinghi wartet nur darauf, dass Manni die Box nicht trifft… passt aber. Wir werden noch auf dem Steg mit allen Vorzügen dieser Marina vertraut gemacht. Auch im Hafenbüro sitzen zwei zuvorkommende nette Damen und versorgen uns mit allen Informationen inkl. einem Madeira-Reiseführer. Wir bekommen auf Wunsch ein Mietauto vor den Steg gefahren (nee, nicht umsonst aber günstig) und können über das Hafenbüro ruckizucki die Erlaubnis für den Besuch der Ilha Deserta, ein Naturschutzgebiet, in dem man nur mit Permit ankern darf, beziehen. Klasse. Und das Ganze portugiesisch günstig! Gebongt. Abends gehen wir lecker essen im einzigen öffentlichen Restaurant hier im Resort. Man fühlt sich doch etwas wie im goldenen Käfig, aber momentan können wir den Luxus und den Service hier gut vertragen.

 

Mittwoch ist Hafentag. Wie immer gilt es wieder Wäsche zu waschen. Dann machen wir jedoch das Dinghi startklar und pöttern die gigantisch urzeitliche Lavasteilküste mit diversen kleinen Grotten ab. Leider finden wir keine passende Stelle zum Anlanden, denn gern hätten wir hier auch endlich mal geschnorchelt. Also zurück zum Hafen und mit Taschen bepackt zu einzigen Badestelle, die auch Nichthotelgäste nutzen dürfen… okay, das ist also der berühmte Haken an der ganzen Sache. Na egal, wir nutzen eine Treppe rein ins Wasser, die auch die hier ansässige Tauchschule nutzt und beschauen uns das Leben und die Steine unter Wasser. Es ist nicht sehr spannend, aber eine gute Übung für spätere Schnorchel- und ggf. auch Tauchgänge. Den Rest des Nachmittages verbringen wir in der heißen Sonne bei erfrischendem Wind im Cockpit. Es gibt kaum andere Segler hier im Hafen, nur geparkte Yachten (mit zerfetztem Sonnenschutz für die Genua und zerschlissenen Baumkleidern) und zwei riesige Katamarane, die wohl auf ihre Wochenendsegler warten. Uns passt die Ruhe ganz gut.

 

Morgen wollen wir zur Ilha Deserta und vielleicht auch dort ankern, wenn der Schwell es zulässt. Es soll auf der Insel eine endemische, giftige Spinne geben – wenn wir also nicht auf See verschollen gehen, dann sind wir möglicherweise mit solch‘ einer Spinne aneinander geraten …und das Gegengift ist noch nicht entwickelt worden! Hoffen wir auf unser Glück, welches wir bisher hatten.

 

Lasst es euch gut gehen zu Hause

 

Manfred + Ute