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Wo ist das Azorenhoch abgeblieben

Auch wenn es auf einigen Fotos hier recht sonnig erscheint, haben wir hier zumeist gewaltige und schnell aufziehende Wolken mit täglichen Regenschauern. Sich 5 x am Tag umzuziehen, ist nicht modischen Aspekten geschuldet, sondern den Temperaturen und der „Luftfeuchtigkeit“. Man hat gerade das Sweat Shirt ausgezogen, weil die Sonne scheint, schwupps, taucht die nächste Regenfront über dem Berg auf: es wird kalt und wenig später regnet es.

Das Azorenhoch hat momentan Pause und seine Abwesenheit sorgt dafür, dass einige Tiefs mit Kaltfronten die Azoren-Inseln im Griff haben. Wie wir hören, sind die Häfen insbesondere in Horta und auch auf den anderen Inseln voll mit Seglern aus der Karibik, die gerne nach Norden / gen Heimat wollen, aber bei dem anhaltenden Nord –Nordostwind eingeparkt (und abgenervt) sind.

Flotter Nachttörn von Ponta Delgada nach Terceira

Wir sehen am Donnerstag, 18.5.2023 eine Chance, bei Nordwind, der im Laufe der Nacht auf Ost-Nord-Ost drehen soll, die 95 sm mit gut halbem Wind von Ponta Delgada nach Praia da Victoria auf Terceira zu segeln. Bedauerlicherweise haben wir immer noch keinen Wal gesehen, dafür jedoch viele Delfine, die auch in dieser Gegend zur verspielten Sorte gehören.

Im Laufe des Abends  reffen wir immer mehr ein, da wir nicht im Dunkeln in den uns unbekannten Hafen von Praia da Victoria einlaufen wollen. Unsere eiserne Lady ist nur schwer zu bremsen, wir schaffen es jedoch, sie solange hinzuhalten, bis das erste Morgenlicht eine bessere Orientierung gibt. Etwas müde aber zufrieden fallen wir in die Koje.

Die kleine kommunal betriebene Marina in Praia do Victoria ist irgendwie magisch – magisch entspannend, obwohl alle halbe Stunde Propeller Flugzeuge über uns hinweg donnern, um auf dem nahegelegenen Flugplatz Lajes zu landen. Zudem brummt ein Bagger auf der gegenüberliegenden Strandseite ebenfalls jeden Tag vor sich hin, um die recht schmale Zufahrt zur Marina wieder auf Solltiefe zu bringen. Diese Geräuschkulisse stört uns aus unerfindlichen Gründen nicht sehr. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir hier viele andere entspannte Segler und Dauerlieger (die ihr Schiff hier an Land überwintern lassen haben) treffen. Anders als in der recht anonymen Marina von Ponta Delgada führen wir nette Gespräche mit Franzosen, Engländern, Deutschen und Niederländern. Die kleine dazugehörige Stadt tut ein Übriges zum chilligen Feeling – regelmäßig sehen wir ein bis zwei stattliche Hähne mitten im Zentrum rumlaufen und – picken. Ansonsten dürfen wir mit Dominique und Ihrem Mann Bernard von der SY Romico Geburtstag feiern und uns an einem Folgeabend ihre faszinierende Reisedokumentation aus Schottland und Irland anschauen.

Und noch etwas trägt zur Entspannung bei:  wir sind umgeben von herrlichen Sandstränden – ganz untypisch für die Azoren. Wäre das Wetter besser und meine leidige Erkältung endlich weg, würden wir jeden Tag baden. (Mittlerweile bin ich bei der 2. Ladung Antibiotika, die man mir hier im „Centro da Saude“ verordnet hat. Dies scheint endlich zu wirken).

Bedrückte Stimmung an Bord...

Leider erhalten wir traurig-beunruhigende Nachrichten aus der Heimat zur Gesundheit von Utes Vater und unternehmen in der Woche auf Terceira nicht allzu viel. Es geht nur einmal wandern und wir besuchen per Bus die Hauptstadt Angro do Heroismo zusammen mit Reiner und Ursula.

Hier sind sogenannte „bull fights“ Tradition. Dafür werden kurzfristig ein bis zwei Straßen abgesperrt und die Hauseingänge und Fenster verbarrikadiert. Mittels Kanonenböller erfolgt der „Startschuss“. Da die Einwohner keinen Wert auf Touristen legen, ist es ein großes Geheimnis, in welchem Dorf, um welche Uhrzeit und in welcher Straße diese regelmäßigen „Wir ärgern mal den Bullen-Parties“ stattfinden. Wir schaffen es, uns diese Information zu besorgen und schauen zu, wie jeweils ein Bulle (gesichert an langen Tauen, die von 7-12 Männern gehalten werden) die Straße hinunter rennt und aufgespannte Regenschirme aufspießen will. Dem Tier geschieht ansonsten nichts – von kurzeitigen Strangulierungen durch das Tau abgesehen.

Am Freitag, 26.5.2023 tritt ein, was wir befürchtet haben und uns sehr traurig macht. Mein Vater ist nun nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 88 Jahren gestorben. Da ich in ca. 1,5 Wochen zur Beerdigung nach Hause fliegen werde, ändern wir kurzfristig unsere Reiseroute für die Azoren. So segeln wir am Samstag, 26.5.2023 die rund 60 sm bei strammen 5 -6 Windstärken nach Velas auf Sao Jorge. Von hier geht es dann Mitte der Woche wieder zurück nach Terceira, da die Flugverbindungen von dort erheblich besser sind.

 

Unsere Berichterstattung wird ein wenig pausieren.

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Kommentare: 2
  • #1

    Anke Siemann (Dienstag, 30 Mai 2023 20:48)

    Der Papa ist der Papa, und Abschiednehmen ist selten einfach… Liebe Ute, mein Mitfühlen für Dich

  • #2

    Andreas Gast (Samstag, 10 Juni 2023 03:29)

    Hey Ihr Zwei,
    ich lese Euren Blog mitlerweile regelmäßig. Es ist einfach toll, wie Ihr auf Sicherheit bedacht - Euch und Freunde so gelassen durch die See bewegt...
    Es tut mir leid, dass dieses Projekt nun durch so ein tragisches Ereignis überschattet wird. Ich wünsche Euch Kraft und Zusammenhalt für die nun kommende Trauerarbeit... Kopf hoch!
    Herzliche Grüße
    Andreas